Referenzgespräche: Knallhart nachgefragt

Keiner weiß besser, ob ein Bewerber für den ausgeschriebenen Job geeignet ist, als dessen ehemaliger Chef. Also fragen Sie ihn! Referenzgespräche sind unverzichtbar.

Ein höchst spannender Moment im Bewerbungsgespräch. Die Bewerberin hatte sich warm geredet. Flexibilität bei der Arbeitszeit? Natürlich ist sie flexibel, versicherte die Bewerberin. Noch nie sei sie bei ihrer alten Arbeitsstelle pünktlich um 17 Uhr nach Hause gegangen, immer habe sie bei Bedarf länger gearbeitet.

Das hört man natürlich gern als Chef. Ich war beeindruckt. Und hätte sie wohl vom Fleck weg engagiert – wenn am Ende des Einstellungsprozesses bei uns nicht standardmäßig auch Referenzgespräche vorgesehen wären.

Referenzgespräche sorgen für Überraschungen

Die Referenzgespräche ergaben dann ein ganz anderes Bild von der Bewerberin. Der vorherige Arbeitgeber ließ mich wissen, dass er diese ehemalige Mitarbeiterin leider nicht ein einziges Mal auch nur zu einer einzigen Minute Überzeit überreden konnte. Soso.
Referenzgespräche sind immer wieder für solche Überraschungen gut. Der Bewerber lobt sich in den höchsten Tönen – und nichts davon ist wahr.

Auch wenn man selbst als Referenzadresse angegeben ist, kann man verblüffende Momente erleben. So erfuhr ich eines Tages nebenbei, dass eine junge Frau, die bei uns einige Monate als Praktikantin gearbeitet hatte, laut Lebenslauf in dieser Zeit hier als Assistentin der Geschäftsleitung tätig war. Interessant.

Referenzgespräche sind eine effektive Möglichkeit, mehr über die charakterliche und fachliche Eignung eines Bewerbers zu erfahren – deshalb bin ich immer wieder überrascht, wie wenig Stellenwert diesem Thema eingeräumt wird. Nur etwa jeder siebte oder achte Firmenchef bemüht sich beispielsweise um Referenzgespräche und ruft bei uns an, wenn er Interviews mit Mitarbeitern führt, die früher bei uns gearbeitet haben. Vor allem kleine Betriebe scheuen sich, während bei großen Firmen inzwischen wohl zumindest in rund 50 Prozent der Fälle Referenzgespräche geführt werden.

Warum werden Referenzgespräche in Deutschland so selten genutzt?

Was spricht gegen Referenzgespräche?

Vor allem vier Argumente bekomme ich da zu hören:

1. „Wir sind bereits sicher, dass es der richtige Mitarbeiter ist.“
Vergessen Sie nicht: Nirgends wird so viel gelogen, wie bei Steuererklärungen und bei Einstellungsgesprächen. Im Internet gibt es Bewerbungsratgeber mit Tipps und Tricks in Hülle und Fülle.

2. „Referenzgespräche bringen nichts, weil die angegebenen Referenzgeber sowieso nur die guten Seiten bestätigen.“
Stimmt, das sehe ich genauso. Und deshalb frage ich nicht unbedingt die vom Bewerber genannten Personen. Ich wähle mir meine Wunsch-Ansprechpartner für Referenzgespräche selbst aus, anhand des Lebenslaufs und des Bewerbungsgesprächs. Das kann dann der frühere Vorgesetzte sein, über dessen Inkompetenz sich der Bewerber im Interview mit mir beklagt hat. Das kann aber durchaus auch mal ein Vereinsvorstand sein.

3. „Der Bewerber will nicht, dass Referenzen eingeholt werden.“
Ich kann Ihnen versichern: A-Mitarbeiter lieben es, Namen und Telefonnummern anzugeben. Sie freuen sich, wenn solche Gespräche stattfinden – denn Sie haben nichts zu verbergen. Um mal ein anderes Beispiel zu nennen: Beim Kauf eines teuren Neuwagens würden Sie sich doch auch nicht nur auf die Eigenwerbung des Herstellers verlassen, sondern einen Blick auf Testberichte werfen.

4. „Wir machen nichts hinter dem Rücken des Bewerbers.“
Richtig so. Ich mache das auch nicht. Deshalb informiere ich den Bewerber im Laufe des Vorstellungsgesprächs, mit welchen Personen ich gerne Referenzgespräche führen möchte und bitte ihn sogar, diese Referenzgespräche selbst zu vermitteln.

Noch einmal ganz deutlich: Referenzgespräche haben nichts mit „Spionage“ zu tun. Sie sind ein wichtiges Mittel im Einstellungsverfahren – und es ist die Aufgabe des Personalers, dieses wertvolle und aussagekräftige Mittel auch zu nutzen. Wenn es stimmt, was der Bewerber von sich und seiner Leistung erzählt, kann ja nur Gutes dabei rauskommen. Wenn nicht: besser Sie erfahren das jetzt, als nach der Einstellung.


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Standard in der Schweiz

Übrigens begegne ich dieser Zurückhaltung, wenn es um Referenzgespräche geht, nur in Deutschland. Sogar in der bodenständigen Schweiz beispielsweise gehören Referenzgespräche zum Standardprozess im Einstellungsverfahren.
Ich empfehle, drei bis fünf Referenzgespräche zu führen. Bei der Einstellung von Top-Führungskräften sollten es sogar fünf bis sieben Referenzgespräche sein.

Damit die Referenzgespräche aber nicht ebenso unkonkret und konturlos bleiben, wie ein schriftliches Arbeitszeugnis, bedarf es einer guten Gesprächsvorbereitung. Zehn Tipps zur Durchführung der Referenzgespräche habe ich Ihnen deshalb zusammengestellt.

Zehn Tipps für Referenzgespräche

1. Versichern Sie Ihrem Gesprächspartner, dass Sie über den Inhalt des Gesprächs selbstverständlich Stillschweigen bewahren werden.
2. Fragen Sie nach der Funktion bzw. Position, die der Bewerber hatte. Schon hier kann es zu Überraschungen kommen.
3. Fragen Sie, ob man den Bewerber noch einmal einstellen würde.
4. Warum hat der Bewerber das Unternehmen verlassen?
5. In Schulnoten ausgedrückt: Wie würde man seine Arbeitsleistung bewerten? Bitten Sie um Gründe.
6. Wäre der Bewerber für den bei Ihnen ausgeschriebenen Job geeignet – wenn ja, warum?
7. Falls Ihr Bewerber sich kritisch geäußert hat zur alten Arbeitsstelle, fragen Sie Ihren Gesprächspartner, ob er die Aussagen des Bewerbers kommentieren möchte – gut ist es, wenn Sie an dieser Stelle ein Zitat des Bewerbers wiedergeben können. Bei negativen Beurteilungen ist es allerdings immer sinnvoll, sich auch konkrete Beispiele nennen zu lassen. Denn natürlich kann es auch sein, dass das Problem tatsächlich nicht beim Bewerber, sondern bei Ihrem Gesprächspartner lag.
8. In welchem Bereich hätte man sich bei dem Bewerber Verbesserungen oder ein anderes Verhalten gewünscht?
9. Welchen Ratschlag würden Sie seinem zukünftigen Vorgesetzten geben?
10. Wo lagen seine Stärken und Schwächen?

Mehr Informationen rund um das Thema Referenzgespräche und Einstellungsverfahren gibt auch im Buch „Die besten Mitarbeiter finden und halten“, das ich gemeinsam mit Jürgen Kurz geschrieben habe. Das Buch und weitere Tipps zum Personalmanagement finden Sie unter hier.

Zusatztipp

Ich habe unseren Arbeitsrechtler nochmals gefragt, welche arbeitsrechtlichen Tipps er in Sachen Referenzen für uns hat. Damit Sie in Zukunft sicher gehen, hat Ihnen unser Arbeitsrechtler Hans P. Schwarz wichtige Hilfestellungen erarbeitet. Hier die besten arbeitsrechtlichen Tipps.

Wenn Sie der ganze 9-stufige Einstellungsprozess interessiert, dann habe ich hier den passenden Gratis-Download für Sie:


Download “9-stufiger Einstellungsprozess” 2017-9-stufiger-Einstellungsprozess.pdf – 5663-mal heruntergeladen – 371 KB